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Doktorspiele

Aktualisiert: 9. Okt. 2023

Man hört die Kinder im Zimmer nebenan kichern, „Zeig mal, hihi, därfi mal alange hihi“, erfährt dann später, dass die Julia „imfall“ keinen Penis hat und wird gefragt, warum man eigentlich ein Junge sei.. In diesen „Doktorspielen“ entdecken Kinder gegenseitig ihre Körper, unter anderem auch die Geschlechtsteile. Viele Eltern machen sich Sorgen, oder fühlen sich beschämt, unangenehm betroffen. Und so werde ich immer wieder – in der Praxis, aber auch im Privaten – gefragt, wie man damit umgehen soll, wenn die Tochter sich eingehend untersucht oder beim Bruder lauthals in der Öffentlichkeit kommentierend nachkuckt. Man sollte sich aber keineswegs Sorgen machen – respektive nur dann, wenn diese Erkundungsspiele nicht stattfinden, denn sie sind ein wichtiger Entwicklungsschritt.

Kinder müssen ihren eigenen Körper kennenlernen, und dazu gehört auch das Geschlecht. Und da die meisten von uns nur ein Geschlecht besitzen, ist es wichtig, auch das Geschlecht des anderen entdecken zu können, alles anzukucken, anzufassen, um zu schauen, wie sich was anfühlt und wie es sich benimmt. Kinder untersuchen aber auch alle Körperteile des gleichen Geschlechts, denn sie möchten auch dieses gründlich kennenlernen und werden merken, dass der andere ja auch so einen Penis oder das Mädchen so eine Vulva hat, aber dass dieser oder diese doch ein wenig anders aussieht. Genauso sehen sich Kinder ja auch Nasen an und merken, dass die Nasen bei anderen anders aussehen.

Wenn sich Kinder des gleichen Geschlechts genauestens anschauen, darf man nicht unbedingt eine sexuelle Vorliebe hineininterpretieren. Es handelt sich dabei meist um eine Rückversicherung, wie der eigene Körper und wie der Körper der oder des anderen ist – das gibt Sicherheit. Genauso spielt es übrigens keine Rolle, ob ein Junge mit Barbies oder ein Mädchen mit Autos spielt – das ist nicht per se eine Veranlagung zu irgendwas. Das heisst, man sollte die Kinder einfach mal machen lassen, respektive sie sogar ermutigen indem man nachfragt, was sie gesehen, gespürt haben, wie sich was angefühlt hat, ob es schön war, und ihnen auch die Erlaubnis geben, sich für die Geschlechtsteile zu interessieren. Kinder, die diesbezüglich eine positive Erfahrung machen und auch die Unterstützung erfahren, können viel besser einschätzen und kommunizieren, wenn ihnen etwas nicht gefällt. Das sind Kinder, die sich viel besser wehren können, die auch der Mama sagen können, dass Paul oder Britta etwas gemacht haben, das sie nicht so schön fanden. So kann man die Kinder indirekt auch besser schützen, da man ihnen auf diese Art viel mehr Selbstvertrauen gibt.

Also liebe Eltern: Auch wenn es manchmal schwierig ist, damit umzugehen – empört euch nicht, sondern ermutigt euch!

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