Liebe Männer …
Am 1. Februar 2019 erschien auf Watson.ch ein Beitrag von Emma Amour mit dem Titel “Liebe Männer, ich hätte da ein paar Sex-Fragen”. Zu lesen gibt es ihn hier.
Liebe Frauen. Ich habe mir einige Gedanken dazu gemacht und möchte auf eure Fragen gerne antworten:
LIEBE MÄNNER, …..
1. … warum steckt ihr uns während des Sex' den Finger in den Mund?
Der Finger ist eines unserer sensibelsten Körperteile. Den Mund, die Lippen, leicht knabbernde Zähne spürt er ganz gut. Jemandem den Finger in den Mund zu stecken, passiert aber aus verschiedensten Aspekten. Abgesehen von der Tatsache, dass uns die ungefragte Tat einigermassen irritiert, macht das der Mann vielmehr aufgrund seiner eigenen Fantasie und Erregung und weniger unserer Erregung willen. Für seine Augen ist es ein Schmaus – der Mann stellt sich vor, dass sie den Penis im Mund hat –, und der Finger leitet die Reaktion direkt zum Penis weiter. Gleichzeitig hat es aber auch etwas leicht Unterwürfiges, auch Sinnliches, wenn er sie mit dem Finger im Mund anschaut.
2. … warum reibt ihr euch (und uns) einen Wolf?
Die rubbelnde Katze ist quasi der Nachweis für die Technik, wie er masturbiert. Er überträgt das, was er mit seinem Penis macht, eins zu eins in die Paarsexualität, nämlich mit einem Kaltstart von 0 auf 100 – wie ein Ferrari. Er meint – fälschlicherweise –, dass das weibliche Geschlecht genauso funktioniert. Ist halt nicht so.
Ganz viele Männer bearbeiten ihren Penis bei der Selbstbefriedigung mit trockener Hand und relativ kräftig. Sobald er erigiert ist, gehen sie über zu leicht langsameren Bewegungen. Viele Männer masturbieren in nur wenigen Minuten, weshalb ihnen alle Facetten von feineren, langsameren Berührungen entgehen und sie nicht lernen, diese als genussvoll und erregend zu empfinden. Dies zeigt auch auf, weil sie sich nicht vorstellen können, wie man Vulva, Klitoris und Vagina stimuliert, was wiederum die Frauen komplett überfordert.
3. … wie kommt ihr auf die Idee, dass Dirty Talk auf Schweizerdeutsch sexy ist? Naja. Kann wirklich eine sehr erregende Sache sein, das dirty talking, jedoch wirkt es zugegebenermassen in der Schweiz, wo die verschiedensten Dialekte aufeinandertreffen, schnell ein wenig schräg. Manchmal schweigt man dann besser. Wichtig ist aber auf jeden Fall, das Gegenüber miteinzubeziehen mit dem Ziel, sich gemeinsam zu erregen. Denn wenn es mehr ein sich selber aufgeilen ist und das Runterlabern einer Pornokategorie, dann ist die Irritation vorprogrammiert.
Es gibt ganz unterschiedliche Formen von Verbalerotik. Klaus Heer beispielsweise hat ein wunderbares Buch darüber geschrieben mit dem Titel «WonneWorte – lustvolle Entführung aus der sexuellen Sprachlosigkeit». Mit seinem Buch möchte er Mut und Lust machen, erotische Wörter und Sätze über die Lippen zu bringen, wenn sich zwei Menschen nahekommen möchten. Das kann man nämlich durchaus – egal in welcher Sprache, auch in Ostschweizer Dialekt.
4. … warum steckt ihr uns unaufgefordert euren Finger in den Po? Die Kategorie «ungefragt Finger in den Po stecken» gehört zu derselben wie die erste Frage, die auch bereits eine Teilantwort liefert. Die Enge des Pos am Finger zu spüren reizt die Fantasie der Männer allerdings noch viel stärker an.
Die meisten Männer machen bei sich selber sehr aufregende Erfahrungen mit ihrem Anus, da er ausserordentlich viele Rezeptoren hat, welche erregt sein können. Sie nutzen ihn immer wieder in der Selbstbefriedigung und gehen davon aus, dass die Partnerin das auch mag.
Spannend finde ich, dass viele Frauen sich sehr schwer tun mit ihrem Anus. Dies liegt vermutlich daran, dass es für sie bereits eine Hürde ist, sich bei der Selbstbefriedigung um ihre Scheide zu kümmern und sie miteinzubeziehen. Geschweige denn den Anus, der wie die Scheide auch ein Loch ist, aber noch ein Stück weiter hinten und allenfalls negativ konnotiert ist mit Begriffen wie «unsauber», «nicht schön» und so weiter und der Finger des Mannes dann noch eher irritiert. Generell gilt auch da die Regelung, dass nichts ungefragt in irgendwelche Löcher gesteckt werden darf, sondern immer im gegenseitigen Einvernehmen. Ungefragt etwas in den Körper gesteckt zu bekommen irritiert den Körper, spannt an, macht zu. Schluss, aus. Doof.
5. … warum müsst ihr (und wir) eure Penisse so zelebrieren? Naja, ist es nicht gerade ein «fishing for compliments», könnte man dies auch umkehren und fragen, warum Frauen eigentlich ihre Vulva und Vagina nicht zelebrieren. Daher würde ich lieber erfahren, wie es den Frauen ginge, wenn sie anfangen würden, ihr Geschlecht wirklich gut kennenzulernen, zu schätzen, zu geniessen und schön zu finden. Ob sie dann nicht auch auf die Idee kämen, dieses zu zelebrieren? Übrigens ist mir durchaus bekannt, dass viele Frauen ihre Brüste masslos zelebrieren mit grossem Ausschnitt, Spitzen, Push-Up-BH und so weiter. Das hingegen scheint gut akzeptiert und schön zu sein. Warum also darf dann ein Mann, der seinen Penis sehr gut erotisiert und integriert hat, nicht auch stolz drauf sein? Er soll sich in seiner stolzen Männlichkeit zeigen dürfen, das geniessen und zelebrieren.
6. … wieso denkt ihr, dass der Sex nur gut war, wenn wir gekommen sind? Die Antwort darauf steckt eigentlich bereits in der Frage: Für viele Männer ist es eine Selbstverständlichkeit, dass sie beim Sex einen Orgasmus haben und diesen auch geniessen – bei der Selbstbefriedigung übrigens sowieso, wo es in erster Linie um diese Entladung geht. Dies war übrigens auch der Grund, weshalb ich «Coming Soon» geschrieben habe – für rund 2/3 der Frauen scheint es nämlich überhaupt keine Selbstverständlichkeit zu sein, zum Orgasmus zu kommen. Das muss überhaupt nicht heissen, dass sie deswegen den Sex nicht geniessen. Jedoch haben sich viele Frauen damit abgefunden, bei der Paarsexualität keinen Orgasmus zu haben und machen aus der Not eine Tugend: Der Inhalt bleibt gleich, denn sie kann gar nicht.
Aber Männer kennen das so nicht. Und machen bei sich dann die Erfahrung, dass die Stimmung kippt und schlecht wird, die Situation irritiert, das Gefühl aufkommt, dass etwas falsch ist im eigenen Körper, wenn sie nicht kommen. Deshalb können sie – verständlicherweise – nicht nachvollziehen, wie das für Frauen ist, wenn sie nicht zum Höhepunkt kommen.
Was die Männer aber durchaus lernen sollten ist, dass der Weg das Ziel ist und nicht nur das Ziel. Mit der Erregung kann man spielen, sie darf stärker werden und wieder abnehmen – mit Lust, Genuss und Langsamkeit.
7. … warum immer dieser Stellungswechsel-Marathon? Dies hat verschiedene Aspekte – und wie so oft ist der Porno das grosse Vorbild, mit dem ganzen Gerammel in den verschiedensten Stellungen, schnellen Wechseln, viel Abwechslung in einem Kurzfilm. Gleichzeitig davon sind sich viele Männer in der Selbstbefriedigung eine hohe Reibung gewohnt und versuchen, dies im Sex auch zu erzeugen. Da sie merken, dass die Reibung mit der Zeit abnimmt, wenn sie zu lange in derselben Position verharren, wechseln sie und probieren, mit mehr Muskelkraft die starke Reibung wieder zu erzeugen.
8. … wieso geht ihr davon aus, dass wir es nicht erwarten können, euer Sperma zu schlucken? Pornokategorie Number one! Zu sehen, wie die Frau schluckt, findet der Mann wahnsinnig geil, weil er sich dann wahnsinnig potent findet. Ob die Frau das auch geil findet, interessiert ihn wenig. Hauptsache, er kann sich daran erregen und das Gesehene in der Selbstbefriedigung hervorholen.Was mich aber viel mehr interessiert ist der Punkt, was für ein Mann sowas will?! Ist es nicht sonderbar, dass Männer sich das von ihren Frauen wünschen und erwarten, aber selber noch nie ihr Sperma probiert haben? Ich würde jedem Mann empfehlen, sein Sperma zu probieren, daran zu riechen, es abzuschlecken, und sich so auch ihrem eigenen Körper anzunähern. Das ist etwas sehr lustvolles und schönes. Dasselbe gilt übrigens auch für die Frau, die Oralsex haben möchte. Auch sie soll ihre Scheidenflüssigkeit kennenlernen, daran riechen und so weiter. Irgendwie ist es doch komisch, den Geruch und Geschmack des Partners zu kennen, aber seinen eigenen nicht.
9. … schnallt ihr eigentlich, was Outdoor-Sex mit uns macht? Zu Outdoor-Sex kann ich wenig sagen ausser, dass er oftmals in der Vorstellung aufregender ist als in der Realität, da in der Regel unbequem und vielfach für diverse Körperregionen sogar schädlich. Etwas vom Schlimmsten wäre demnach Sex am Strand – der Sand dringt wortwörtlich in alle Ritzen und fühlt sich auf der Hand so angenehm an wie eine Massage mit Schleifpapier Stärke 30.
Das, was an Sex unter freiem Himmel wirklich verleitend ist, ist die Aufregung, entdeckt zu werden, und das damit verbundene Freiheitsgefühl, das sich einstellen kann.
10. … warum geht ihr davon aus, dass unsere beste Freundin für einen Dreier zu haben ist?
In den allermeisten Männerfantasien kommt der Dreier vor – bei sehr vielen Frauen übrigens auch, und zwar tendenziell eher mit einer zweiten Frau als mit einem weiteren Mann. Und was ist denn naheliegender, als das mit der besten Freundin zu machen? Sie ist verfügbar, es ist einfach und anscheinend ist sie auch eine sehr tolle Frau.
Aber: Finger weg davon. Denn erstens begehren sich Freundinnen im Normalfall nicht sexuell, und zweitens wird es umso komplizierter, je näher man über den Zaun frisst. Wenn man anfängt, Sex mit nahen Bezugspersonen zu haben, sollte man grosse Vorsicht walten lassen und im Vorfeld unbedingt eingehend darüber reden, wie man damit umgehen soll, wenn es sich nicht so gut oder anders anfühlt wie erwartet.
Ganz generell sind Fantasien sehr reizvoll – in der Fantasie! Und zwar genau aus dem Grund, weil sie Fantasien sind. In der Realität machen viele Leute aber die Erfahrung, dass das, was sich in der Fantasie sehr spannend anfühlt, in der Realität gar nicht das ist, was sie sich vorgestellt haben. Natürlich ist es aber jedem selber überlassen, seien Fantasien zu testen.
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